Donnerstag, 26. April 2007

Das Kaiserreich

Nach dem Sieg über Frankreich war das junge Reich nicht nur rein psychisch im Freudentaumel. Die hohen Reparationsleistungen der Franzosen, die neu hinzu gekommenen Erz- und Industriegebiete und der einheitliche Staat sorgten für einen Boom in Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur. So kam es, dass sich Bismarck immer mehr auf die ehemals verhassten Liberalen stützte, um eine Mehrheitsregierung führen zu können. Die verziehen ihm auch wegen des wirtschaftlichen Erfolgs in der Gründerzeit den Verfassungskonflikt. Kein Wunder also, dass die ersten Reformen in der Wirtschaft und damit verbundenen bereichen erfolgte: Banken entstanden, die letzten Zollschranken fielen und endlich gab es einheitliche Gewichtseinheiten und Maße.

Auch im Kulturkampf waren die Liberalen eine wertvolle Stütze: Die "papsthörigen, ultramontanen Katholizisten" wurden kurzerhand verboten und aus öffentlichen Ämtern entfernt. Die Zivilehe und staatliche Schulpflicht unterbanden auch in diesen Bereichen jeglichen katholischen Einfluss. Jedoch zog die Zentrumspartei bald die geschassten Gläubigen an wie ein Magnet.

Doch der Gründerkrach bescherte der Allianz aus Liberalen und Konservativen ein jähes Ende: Wegen den wirtschaftlichen Problemen führte Bismarck Schutzzölle ein und befürwortete einen wirtschaftlichen Protektionismus. Die Liberalen wandten sich ab, und Bismarck musste neue Mehrheiten finden: Die Konservativen. Schon bald schwächten die Sozialistengesetze die "Reichsfeinde" bei den sozialistischen Parteien und Vereinen. Attentate auf den Kaiser lieferten den Grund, Parteien, Vereine, und Publikationen mit sozialistischen oder auch freisinnigen Gedanken zu verbieten. Jedoch führte dies zu einer Radikalisierung der Arbeiterschaft, und auch zu mehr Zulauf zu der jetzt marxistisch orientierten SPD.

Parallel dazu suchte man den Sozialisten die Klientel in der Arbeiterschaft mithilfe der Sozialgesetzgebung abzuwerben. Aber nötig waren die von Bismarck eingeführten Versicherungen und Rentenkassen auch - die Industrialisierung hatte Deutschland längst erfasst und ihre Spuren in der Sozialen Frage hinterlassen. Ab 1881 fanden Unfall-, Invaliden- und Rentenversicherung ihrenPlatz in der deutschen Tradition eines sozialen Staates. Bismarck wurde durch seine strategische und irgendwie beeidnruckende Politik zwischen "divide et impera" und "Zuckerbrot und Peitsche" zu einem nationalen Denkmal. Als "der Lotse" 1890 "von Bord" ging, wie es eine zeitgenössische Karikatur formuliert, hinterließ er ein gefestigtes Deutschland. Doch es war auch ein von Bismarck geprägtes und durch Bismarck existentes Reich, wie sich bald herausstellen sollte.

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